Mt.Kenia - 1992

 

Für die Besteigung des Mt.Kenia hatten sich 4 namhafte sächsiche Extrembergsteiger zu einer schlagkräftigen Expedition zusammengefunden - Jan Haink, Carsten Brux, Ralle und ich. Aus zeitlichen Gründen flogen wir in 2 Gruppen - Ralle und ich waren als Erkundungstrupp auserkoren.

Mit ca. 90 kg Gepäck ging es mit Sudan Airways via Khartum in einer Art Odyssee nach Nairobi (nie wieder diese Airline). Nach einer ersten Safari in die Massai Mara wollten wir uns dann mit Carsten und Jan treffen, am Morgen nach ihrer Ankunft vor dem Hilton. Keiner da. Ersatztreffpunkt Airport am Abend. Keiner da. Fast 24h nach der geplanten Ankunft war die Maschine noch immer nicht da ... Nun ja, wir haben dann Jimmy, einen Taxifahrer, beauftragt die beiden in die City zu geleiten. Er hat dies auch großartig erledigt. Als sie ankamen stand er mit einem Schild "Mr.Haink, Mr.Brux" da und hat sie in Empfang genommen (große Freude bei den Bergfreunden). Somit konnte es dann losgehen.

Zufällig trafen wir noch Ingolf und Katrin, die wir nicht kannten, für die wir aber noch zusätzliches Gepäck mitgeschleppt hatten. Sie revanchierten sich, indem sie uns mit ihrem gemieteten Suzuki-Jeep an den Ausgangspunkt unserer Tour brachten. Ingolf konnte jedoch seine fahrerischen Fähigkeiten nicht so richtig mit den keniatischen Straßenverhältnissen in Einklang bringen und so haben wir uns mehrmals mörderisch den Schädel eingehauen. Kritisch wurde es, als plötzlich in einer Kurve das Licht ausfiel ... Wir haben daraufhin gefordert, sofort ein Gasthaus anzusteuern.

Am nächsten Morgen suchten wir zunächst den Startpunkt für unsere Tour. Als wir die Karte ausbreiteten kam das ganze Dorf zusammengelaufen und staunte, was der weiße Mann da wohl tut. Wir wurden dann abgeladen und schulterten unsere ca. 35 kg schweren Rucksäcke unter der ständigen Beobachtung der Dorfkinder. Wir wollten die Nationalparkgebühr sparen, und sind deshalb mit Kompaß und Karte ausgerüstet quer-feldein losgezogen. Am ersten Tag ging es nicht mehr weit. Bald bot sich uns ein groß-artiges Schauspiel: Eine Horde Frauen kam schwer mit Holz bepackt aus dem Wald angeführt von einem schwarzem Mann mit zwei Hölz`chen in der Hand ... ja hier ist die Welt noch in Ordnung.

Nun ging es richtig los. Wie dereinst Gerd Bonk haben wir unsere abartig schweren Rucksäcke gestemmt. Zunächst gab es einem Pfad durch Wald, bald ging es weglos durch die Steppe. Carsten hatte arge Probleme mit dem Designerrucksack von Karri-mor, dessen Schwerpunkt etwa ½ m hinter dem Allerwertesten ist - "hoher Tragekom-fort !". In der Nähe des Rotundu (eines, wie der Name vermuten läßt, runden Berges) beziehen wir auf 3100m Höhe unser Lager. Kein Wasser. Ralle und Carsten gehen los und müssen abenteuerlich in einen Canyon abseilen.

Wir kommen am nächsten Morgen zu spät los und werden bald vom Regen, der hier regelmäßig am Nachmittag herniedergeht aufgehalten. Wir campieren zwischen gigan-tischen Blattpflanzen auf einer Sumpfwiese. Dafür gibt es Wasser ohne Probleme. Da wir lernfähig sind ziehen wir am nächsten Tag eher los und kommen auch ganz gut voran. Es gibt nun kleine Streitigkeiten zwischen den Orientierungsläufern darüber, wo wir sind und in welchem Tal es weitergehen soll. Letzten Endes ist es egal, denn alle Wege führen zum Mount Kenya, den wir erstmals sehen - noch ganz schön weit weg. Auf 3850m Höhe bauen wir unser Zelt auf. In der Ferne sehen wir Büffel und es kommt ein mulmiges Gefühl auf.

Früh herrlicher Sonnenaufgang - alles rot, einfach fantastisch. Logischerweise beginnt es dann schon vormittags mit dem Regen. Wir quälen uns eine steile Rinne empor, der Schlamm klebt zu riesigen Batzen an den Füßen. Oben angekommen sehen wir, daß wir falsch sind. Also wieder abwärts zu Minto`s Hut (4300m). Dies ist eine außerordent-lich gelungene Konstruktion und zeigt deutlich das afrikanische Baugeschick. Das Wellblechdach ist so übereinandergeschichtet, daß es reinregnen muß !! Da außerdem zu viele Leute hier schlafen wollen, ziehen wir weiter und bauen unser Zelt auf einem steinigen Hügel auf. Wir polstern so gut wie möglich - trotzdem eine harte Nacht. Wie immer ziehen die anderen sich aus, wenn sie in ihre Daunen schlüpfen - ich dagegen ziehe mich an, wenn es in die Hohlfaser-Tüte geht.

Nun gelingt uns der Aufstieg zur Austrian Hut (4790m) gut akklimatisiert ohne Proble-me, im Gegensatz zu den meisten anderen, die vom Äquator in 2 Tagen hier hinauf kommen ...Die Hütte ist gut in Schuß. Es gibt genügend Platz, sodaß wir ein Zimmer für uns haben. Wasser und Waschgelegenheit ist ein kleiner Gletschersee - allerdings nur mit Pickel, da dieser zugefroren ist.

Früh im Dunkeln steigen wir auf den Point Lenana, den kleinsten Gipfel des Mt.Kenya - nur 15m fehlen ihm zum Fünftausender. Unsere geplante Route am Nelion strahlt leuchtend rot, unter uns die Wolken - ein wunderbarer Sonnenaufgang. Nur bitterkalt ist es. Also schnell wieder hinunter und Beratung in der Hütte beim Frühstück. Bevor es etwas anderes zu Essen gibt, muß aber erst noch der Pichelsteiner-Eintopf vom Vortag entsorgt werden - wir haben zwar alle Hunger, aber keiner will Pichelsteiner ...

Nach dem Frühstück gehen wir auf Erkundungstour: Carsten und ich an den Nelion, Jan und Ralle in Richtung Two-Tarn-Hut (dort soll es Felsklettereien geben). Wir über-queren den Gletscher und sind schnell am Einstieg. Die ersten beiden Seillängen gehen ganz gut. Es liegt schon ganz schön viel Schnee. In der 3.SL ziehen die Schwie-rigkeiten an und in der vierten muß ich dann bei III+ schon "alles" geben. Ich fege Schnee beiseite, wühle den Riß frei, lege Keile und Schlingen ... Wir waren uns einig - so etwa 7a. Das Problem ist der viele Schnee. Wir sind zur falschen Jahreszeit in der falschen Route - SO-Seite im Sommer südlich des Äquator entspricht NW-Seite im Winter bei uns. Der Weiterweg sieht wenig verlockend aus. Kaskadenartig vereiste, verschneite steile Rinnen. Es ist Eisklettersaison. Wir haben insgesamt nur 4 Eis-schrauben, keine Plastestiefel, nur Schürsteigeisen, Ralle und ich nur 10-Zacker - also keine Chance.

Jan und Ralle haben gute Routen gesehen. Also ziehen wir um zur Two-Tarn-Hut (4490m) - wieder mal eine Hütte in der wir nicht schlafen wollen. Point-John-Minor (4850m) heißt das Ziel. Nach 1,5 h im Geröll stieg Jan gegen 10 Uhr in eine Rinne ein. Nach dem ersten Stand wurde es etwas felsig, die Schnee/Eis-Auflage dünner - ich sollte vor - war aber nicht mein Ding, nur ein halbherziger Versuch. Carsten zog dann vorbei. Später wollten die Kameraden mich dann noch mit doppelt mannskopf-großen Steinen erschlagen... Nach 4 Seillängen waren wir auf einer Schulter. Nun noch 1 SL in gutem Fels zum Gipfel. Keine Sicht, aber große Freude. Das Abseilen und der Rückweg waren dann noch eine ziemliche Nerven- und Kraftprobe...

Die 3 sind unersättlich, ziehen am nächsten Tag schon wieder zum Klettern los - ich gönne mir einen Ruhetag, fotografiere Murmeltiere, die Berge, Riesengräser ...

Dann heißt es Abschied nehmen und ab geht`s ins Tal, wieder auf nahezu unbe-kannten Pfaden. Nach kurzer Zeit stapfen wir wieder in der Pampe. Bald schauen wir von oben auf den Dschungel und haben keine Ahnung wohin. Da findet Jan einen Wegweiser und wir folgen mutig den Pfählen, die sich dann aber als wahllos herum-stehende abgestorbene Bambusstangen erweisen. Jedenfalls sind wir nun ohne Pfad im dichten Dschungel, an einen Zeltplatz gar nicht zu denken... Als wir eine sumpfige Lichtung erreichen mache ich den Vorschlag auszuschwärmen, um einen Zeltplatz zu suchen. Große Freude bei den Kameraden. Sie wollen eine Rufkette bis zum Wald-rand bilden, mich dann aber nicht suchen. Ich sehe ein, daß die Chancen unsere Rucksäcke und uns wiederzufinden eher gering sind, also weiter. Wir haben Glück und finden einen nicht zu nassen, etwas abfallenden Zeltplatz, der letzte überhaupt, wie sich am nächsten Tag herausstellen sollte.

Wir schlafen gut. Dann geht es weiter, entlang von Bächen oder Elefantenschneisen, die einzigen Möglichkeiten im dichten Dschungel voranzukommen. Als wir auf frische, dampfende riesige Haufen treffen wird uns anders... Irgendwie haben wir dann riesiges Glück. Wir treffen gegen Mittag auf einen Pfad und laufen nun in etwa 4 h zu einer kleinen Ortschaft und dann auf einem staubigen Feldweg weiter bis uns Holzfäller zur Straße mitnehmen. Hätten wir den Pfad nicht gefunden ... Nicht auszudenken. Es wäre uns wohl so wie unseren Vorgängern ergangen, die dann aus Verzweiflung mit Steig-eisen auf Bäume gestiegen sind, um herauszufinden wo sie sind ...

Per Matatu (vollgetopftes Sammeltaxi) geht es nach Nanyuki und dort ins Hotel zu Fleisch und Bier. Jimmy wollte uns über`s Ohr hauen - doch der weiße Mann war wachsam...

Am nächsten Tag geht`s mit einem vollgepferchten Kleinbus halsbrecherisch nach Nairobi und dort dann abends in die Modern Green Bar. Diese Kneipe ist 24h am Tag geöffnet, 365 Tage im Jahr und dies seit 10 Jahren. Der Tresen ist vergittert und durch ein kleines Fenster geht zuerst das Geld und dann kommt das Bier. Wir haben einige nette Begegnungen ...

Eine Rundreise zum Lake Turkana und in den Samburu Nationalpark rundeten die erlebnisreichen und lustigen 5 Wochen zu beiden Seiten des Äquator ab. Jan und Carsten sind dann noch zum Kilimandscharo und nach Sansibar während Ralle und ich schon wieder fleißig studierten...

 

 

 

Ali , 1999