Peru 1998 – Cordillera Blanca / Nev.Alpamayo

Geplant war der "schönste Berg der Welt"- der Alpamayo. Als Teilnehmer standen Glatze, Ralle, Ali und Effendi fest. Ralle hatte sich dann geschickt mit der Ausrede eines Kreuzbandrisses vor der Verantwortung gedrückt. Zufälligerweise hatte eine Thüringer Bratwurst – Steffen Willing – ebenfalls einen Peru-Aufenthalt geplant und war froh, sich uns erfahrenen Berghasen anschließen zu können. Die Aufgaben im Vorfeld wurden verteilt und Effendi wurde als Dolmetscher eingeteilt.

Am 23.07.98 war es dann soweit. Start in Berlin. Glatze und ich fuhren mit vielen Dosen bei brütender Hitze zu Effendi und waren bei Ankunft schon rechtschaffen ange-pappt. Als wir Effendi`s Wohnung betraten sahen wir ein CD-Set ,Spanisch, leider war nur die erste CD ausgepackt und wir ahnten Fürchterliches. Dies sollte sich bestätigen, denn unser Dolmetscher kannte noch nicht einmal das Wort Cerveza – ein katastro-phaler faux-pas.

Glatze hatte uns erklärt, daß auf solchen Langstreckenflügen nur junge Stewardessen eingesetzt werden, da die älteren die großen Zeitunterschiede nicht mehr aushalten würden. Nach einer Nacht in Madrid und einer Überschwemmung beim Frühstücks-buffet (da der Milchdeckel festgeklebt war) konnten wir uns von dieser verlockenden Aussicht auf nette Bedienung überzeugen: Für uns war ein älterer, etwas unangeneh-mer, (vom Äußeren her) männlicher Stewart verantwortlich der mit Tolle ziemlich eigen-artig umherstolzierte – der Gockel. Dieser war denn auch nicht bereit uns mehr als zwei 0,25 l Dosen Cerveza zu geben.

Trotzdem kamen wir in Lima an und konnten mit hilfreicher Unterstützung eines Taxi-fahrers Bustickets für den nächsten Tag nach Huaraz ergattern, wo das Bratwürst`l auf uns warten wollte. Die Nacht verbrachten wir direkt an der Hauptstraße mit entspre-chenden Verkehrsgeräuschen – wir haben trotzdem wie die Toten geschlafen. Die Bus-fahrt war sehr luxuriös und landschaftlich beeindruckend: zunächst durch die Küsten-wüste, dann ewige Serpentinen vom Meer bis über einen 3500m hohen Paß mit Blick auf die schneebedeckten Berge der Cordillera Huayash und sogar zu Huascaran. Am Nachmittag dann Ankunft in Huaraz und Treff mit Bratwürst`l. Er ist aufgrund der voran-gehenden Nächte schon stadtbekannt. Wir mieten uns in der Casa de Guias (Haus der Bergführer – wir haben aber keinen gesehen) ein und Glatze und Willinger durchze-chen eine weitere Nacht ...

Am nächsten Morgen beschließen wir, daß passive Akklimatisation günstig ist und fahren per Collektivo zur Llaguna Llanganuco auf 3900m Höhe. Im Bus überredet Willinger noch 2 peruanische Mädels das Zelt mit ihm zu teilen ...

Der nächste Tag wird zur (passiven) Akkli genutzt. Dann geht es los gen Nevado Pisco. In 4h schinden wir uns in der prallen Sonne auf 4700m Höhe. Von dort sollen es 12h bis zum 5700m hohen Gipfel des Pisco sein. Glatze meint, daß er es in dieser Zeit bis auf den Everest schafft.

Als es noch dunkel ist brechen wir auf und schon nach wenigen Metern fühlt sich unser Thüringer besonders schlecht (gut fühlt sich aufgrund der Hammer-Akkli niemand) und beschließt allein und nicht allzu weit zu gehen. Nach Erreichen der Moräne sehen wir das ganze Elend vor uns liegen – wir müssen absteigen und auf und ab einen mit Schutt bedeckten Gletscher queren. Als wir die Schneegrenze erreichen, beschließe auch ich, daß mir der Gipfel heute zu hoch ist und gehe gemütlich mein eigenes Tempo (mit vielen Pausen) bis zum Sattel auf 5400m. Von dort kann man den Alpa-mayo sehen, allerdings ist der Artesonraju viel beindruckender, da näher dran. Ich beobachte noch eine Weile, wie sich Glatze und Effendi mit zwei anderen Steigern zusammentun und gen Gipfel marschieren. Langsam steige ich wieder ab und hätte fast den recht steilen Aufstieg auf die Moräne vor unserem Lager nicht wieder gefun-den, so fertig war ich. Im Lager angekommen strecke ich "alle Viere" von mir und japse nach Luft. Glatze und Effendi schaffen den Gipfel unter Aufbietung aller Kräfte und mit Seilhilfe der Kameraden. Nun sind wir gut akklimatisiert.

Am nächsten Tag Abstieg zum Bier nach Huaraz. Dort suchen wir uns eine andere Unterkunft – das Hostal de Virgen del Carmen – von außen etwas morsch aussehend entpuppt sich diese Absteige als wahre Festung. Man muß Tag und nacht vor einer vergitterten Tür klingeln und wird dann hereingelassen. Wir besichtigen den Markt und ziehen abends ins El Tambo, wo wir uns von Kellner Erwin (der natürlich Willinger schon kennt) 9 große 2-Liter-Vasen Bier servieren lassen. In den Diskussionen ist der Alpamayo überhaupt kein Problem mehr.

Am "Morgen" erwacht zuerst Effendi (dies sei besonders erwähnt) gegen 11 Uhr. Ich bin völlig transportunfähig, quäle mich aber aus dem Bett. Nach dem "Frühstück" hat die Bank geschlossen und wir überlegen, ob unser Geld reicht – es sollte. Also mieten wir ein Collektivo zusammen mit zwei Süddeutschen, die den Alpamayo hinter sich haben und nun zum Artesonraju wollen. Wir fahren nach Caraz, wobei Willinger auf dem Beifahrerplatz graue Haare bekommt – wir anderen sehen das Unheil nicht, da die Rucksäcke vor uns aufgestapelt sind, aber unser Thüringer ist ganz schön erregt über die Fahrweise der Einheimischen.

Am nächsten Morgen chartern wir einen Jeep nach Cashapampa, mieten dort 3 Esel, ein Hoppa-Pferd und einen Treiber – Siro. Am Nachmittag geht es los. Am Abend stellt sich heraus, daß Siro weder ein Zelt noch etwas zu essen dabei hat, ohne ein Wort zu sagen. Vorerst kein Problem. Nun geht es steil nach oben, von Hualcallan (3100m) zur Laguna Aluncocha (4650m). Dies ist nicht nur für uns anstrengend. Als wir ankommen und die Santa Cruz – Gruppe bestaunen, habe ich echt Angst um unsere Viecher, besonders der Gaul mit Glatzes Rucksack macht keinen guten Eindruck. Dort oben – warum auch immer – gibt es einen Stauseewärter, der im freien Gelände ohne jegliche Steinschlaggefahr mit einem roten Bauhelm umherläuft und unseren Siro in seine Hütte einlädt, worauf dieser unser Zelt verschmäht.

Nun geht es über 2 Fünftausender-Pässe und danach steil hinab auf etwa 4100m in das Quebrada de los Cedros, welches später zum Quebrada Alpamayo wird. Dabei passieren wir zwei verwesende Esel und unsere Tieren ist gar nicht wohl. Siro hat alle Mühe sie bei Laune zu halten. Glatze und ich erweisen sich also großartige Eseltreiber - mit Burro, Burro und hoppa, hoppa und den Wanderstöcken am Hinterteil rennen die Viecher was die Lunge hergibt ...

Dann ist es endlich soweit, wir biegen um eine Kurve und der Alpamayo steht in seiner ganzen Pracht vor uns – von hier ist er wirklich schön und uns rutscht das Herz ein wenig tiefer in Anbetracht der gewaltigen steilen Wände und Grate ...

Am nächsten Morgen will Siro schon 7 Uhr aufbrechen, da er uns nur noch einen halben Tag begleitet und dann noch möglichst weit zurück will. Wir stehen wie immer um 6 Uhr auf (es ist noch sackkalt, die Zelte bereift ...) und kommen wie immer 8 Uhr los – nur sagen wir, daß es 7 Uhr wäre und Siro freut sich ... Wir gehen bis in ein weites Tal zwischen Santa Cruz Gruppe und dem Alpamayo. Nun wird nur das Nötigste mitgenommen und wir schicken die Esel zurück mit der Maßgabe uns auf der anderen Seite mit Bier zu begrüßen – Glatze erklärt dies mit Händen und Füßen. Wir beschließen heute noch bis zum Gletscher zu stapfen – also geht es los. Nach einer Stunde Gestapfe in einer steilen Schuttrinne warten wir eine weitere Stunde auf unse-ren Thüringer. Ihm geht es nicht gut. Er stand unten vor der Entscheidung mit den Eseln zurückzugehen oder nun "zu müssen", da der Rückweg jetzt anstrengender wäre als der Weg ins Santa Cruz Tal. Effendi und ich nehmen ihm gehörig Ballast ab und Glatze trägt den restlichen Rucksack ein ganzes Stück. So geht es immer höher. Irgendwann müssen wir dann klettern und Glatze und ich verlegen abwechseln Fix-seile. Dann sind wir auf einem Grat der letztendlich zum Nevado Chiri führt. Wir blicken hinab auf den gewaltigen zerrissenen Gletscher und hinüber zum Alpamayo auf dessen Südwestseite, durch welche wir wollen und uns ist gar nicht mehr so wohl ... Wir steigen ab und finden am Gletscher tatsächlich ein schönes Fleckchen für unsere Zelte. Willinger verschwindet sofort im Zelt und wir 3 überlegen, wer Wasser holen geht – Glatze und Effendi ziehen los, kommen aber unverrichteter Dinge zurück, da sie den falschen Weg gewählt haben und nicht zum Gletscher hinunter kamen. Also muß ich noch einmal los und bin eine Stunde beschäftigt. Als dann das Essen fertig ist, entsteht beim Sonnenunter- und Mondaufgang (direkt über der Spitze des Alpamayo) eine großartige Stimmung. Willinger ist aber nicht einmal damit aus dem Zelt zu locken .- er reicht nur seine Kamera heraus ... Wir fürchten das Schlimmste und überlegen, was wir machen sollen – aber es gibt kein Zurück, da dieser Weg länger und anstren-gender wäre.

Am nächsten Morgen kommen wir nach den Strapazen des letzten Tages und im ver-meintlichen Glauben an einen kurzen Weg viel zu spät los. Außerdem sind sich Glatze und ich nicht einig, wo wir in den Gletscherbruch hinein sollen um das Hochplateau zwischen Alpamayo und Nevado Chiririr zu erreichen, wo unser Sturm-Camp sein soll. Ich will so weit wie möglich oben, Glatze schon recht zeitig in den Gletscherbruch – wir einigen uns auf einen Mittelweg. Bis dahin geht es lange über Geröll. Dann werden die Steigeisen angelegt und die Eisbeile ausgepackt und wir seilen uns an. Es geht ganz gut voran, aber zuletzt haben wir riesige Spalten bei sehr weichem Schnee (es ist in-zwischen später Nachmittag) zu überwinden. Willinger, dem es erstaunlich gut geht, verschwindet kurz in einer dieser Spalten – aber nichts passiert. Bei Sonnenuntergang stehen die Zelte und der Whisper summt vor sich hin Wir warten auf unser Abend-essen und überlegen wie wir den Alpamayo angehen sollen. Obwohl wir ziemlich fertig sind drängt Glatze schon auf den nächsten Tag – also denn ...

Ich quäle mich gegen 6 Uhr aus dem Sack und versuche vergeblich über 10 min den Kocher anzuwerfen – es ist zu viel Wind. Also ohne Tee. Ich habe viel Mühe Effendi aus dem Zelt zu holen, Willinger hatte sich schon gestern Abend abgemeldet. Wir starten nach ein paar Keksen und einem Schluck aus der Flasche. Bald sind wir vor der Südwestwand und es wir steil. Kurz vor dem Einstieg überholen wir noch eine Seilschaft – so sind nur zwei Kletterer vor uns. Nach der Randkluft geht es gleich richtig zur Sache, aber nach 5 m legt sich die Wand zurück und es geht bei vielleicht 45° in einer Rinne nach oben. Die Standplätze sind mit dünnen Reepschnüren, die aus dem Eis ragen eingerichtet – das richtige Vertrauen dazu fehlt noch. Ich wechsele mich mit Gatze ab und wir kommen ganz gut voran. In der 4.Seillänge geht es dann nach rechts in die eigentliche Rinne der Ferrari-Route, die aber aufgrund eines großen Eisabbruchs im unteren Teil nicht mehr begehbar ist. Im Quergang liegt viel Schnee, Glatze kann keine Eisschraube unterbringen und ist nervlich ziemlich fertig und hat danach keine Vorstiegsambitionen mehr. Nun wird es steiler – so 60° - 70° . Die Verhältnisse sind sehr gut, nur manchmal ist das Eis etwas zu hart und spröde. Es ist aber sehr anstrengend. Alle 10 bis 15m setze ich eine Eisschraube - und kollabiere dann fast. Die letzte Seillänge wird wieder leichter, es legt sich zurück und die Rinne wird tiefer und dann bin ich oben und falle völlig erschöpft auf den A... Nach einer kurzen Ruhepause kann ich dann Glatze nachholen und dann kommt auch Effendi, der recht viele Ängste ausgestanden hat. Wir sind überglücklich und schauen hinab auf unseren Lagerplatz und in die Umgebung bis hin zum Huascaran, dem höchsten Berg Peru`s. Dann geht`s ans Abseilen, was noch mehr Nerven kostet als der Aufstieg ... Aber irgendwann sind wir am Einstieg und stolpern zu unserem Camp, wo uns Willinger den ganzen Tag mit dem Teleobjektiv beobachtet hat. Es ist nun schon wieder fast dunkel und wir fallen bald in unsere Schlafsäcke.

Am nächsten Morgen ziehen recht schnell finstere Wolken auf, was uns aber wenig stört. Wir steigen zum normalen Sturmlager auf und seilen von dort ca. 100m ab, dann geht es noch etwa 1h über Gletscher mit großen Spalten und dann haben wir das Geröll erreicht. Nun folgt ein sehr steiler und anstrengender Abstieg zum Base Camp im blablabla –Tal. Dort treffen wir gerade noch rechtzeitig vor dem großen Gewitter ein (bis auf unseren Thüringer, der klatschnaß wird) und beziehen in einer Wellblechhütte Quartier. Auch siro ist da – und mit ihm das bestellte Bier. Die Freude ist groß. Am nächsten Tag geht es nach Cashapampa, wobei Effendi noch seine Qualitäten als Weitspringer über einen Bach unter Beweis stellt. Dort hängen wir unsere stinkenden Füße in den Forellen-Teich (bis die Tiere mit dem Bauch oben schwimmen) und genießen kühles "Kristall", welches wie der Blitz einschlägt. So stört es uns auch wenig, daß wir in einem Landrover zu 20st nach Caraz fahren.

Dann geht es auch bald nach Hause – über Buenos Aires, Madrid, Düsseldorf, Berlin (das Gepäck kommt ein paar Tage später)..., aber wir kommen wieder.

 

Ali , 1999