Old Man of Hoy 1993

Der folgende Beitrag zitiert freizügig aus Horst Mempel's BIWAK-Sendung im September 1993 und ist außerdem in einer gekürzten Fassung in "Das Beste aus Biwak - Teil 2" nachzugucken.

Bei meinem ersten Klettertrip auf der Insel 1991 entdeckte ich in Joe Brown's kleinem Kletterladen im nordwalisischen Llanberris ein Gemälde von einem beeindruckenden Felsen hoch droben im nördlichen Schottland. Inspiriert davon, sammelte ich Gleichgesinnte um mich, warnte sie wegen des Wetters vor und schon zwei Jahre später, im August 1993, ging es los; und zwar mit einem schon recht klapprigen Bus, der aus unerfindlichen Gründen auf den Namen Hassan der II. hörte. Wie immer wurde nur das not wendigste mitgenommen (in diesem Falle 30 Partydosen Bier).

In Erfurt war dann erstmal Schluß. Der Kommentar unseres Mechanikers Alwin zum Motorschaden: "Es is' immer ouch 'n bissel was zu machen an so'm alten Ding. Man steckt halt ni' drin. Irgendwann gibt jeder mal'n Geist off so wie eben jeder ouch ma' stirbt, oder was". Und so nutzten die Bergkameraden die entstandene Zwangspause für eine leckere Freibierparty an der Erfurter Gartenbauschule (oder waren es Architekten?). Weitere Teilnehmer dieser Fahrt waren neben Alwin die Dresdner Bergbabys Glatze, Üwchen, Stute, ich und als Gäste Ulf und mein Freund Andrew Martin Sykes aus Huddersfield, UK.

Angekommen, richteten wir uns in unserem gemütlichen, 800 Jahre alten Farmhaus ein; das heißt, so ganz stimmt das nicht. Wir kampierten in einem Anbau - einem ehemaligen Schafstall. Die extra angereiste Kameracrew durchquerte währenddessen die Insel auf der Suche nach den Dresdner Bergbabys ("Das sind sie nicht"). Die Landschaft war karg, kahl, hügelig, menschenleer. Die Bevölkerungsdichte auf Hoy beträgt 4 Einwohner/km², als da waren zum Beispiel:

Nach den ersten vier verwarteten Regentagen waren nicht nur die Enten aggressiv und auch die Kinder neigten gelegentlich mal zur Brutalität. "Verspannung lösen" war die am häufigsten gehörte Empfehlung. Stute und ich nahmen diese an und radelten mit den ausgeliehenen Schrottmühlen zum deutschen Soldatenfriedhof, um uns dort ins Gästebuch einzutragen.

Dann am fünften Tag, es regnete nur leicht, nahmen wir den Alten Mann zum ersten mal in Augenschein. Erster Eindruck: "Die linke Route fällt aus, die is' vollgeschissen". Wir hatten Angriffslust getankt und bei gutem Wetter würden wir dem Alten Mann am nächsten Morgen zu Leibe gehen. Aber der Wetterbericht, dieser seit Tagen verfluchte, hielt erneut nichts gutes bereit: Regen im Norden sagte der freundliche Herr und er sagte es mit einem Gleichmut, für den man ihn strafen möge. So vergnügten wir uns einen weiteren Tag mit Schlafen, Essen und Fernsehen gucken (das Hurling-Finale zwischen Kilkenny und irgendwelchen anderen Ir(r)en). Am Abend dann, während der Sohn des Hauses mit irgendwelchen Schrottautos über die Farm knatterte, kredenzte uns Terry sein famous international home brew - after an old viking recipe and really strong. Die anschließende Wette um 1000 Mark lehnten wir dankend ab, ein Fehler, wie sich später herausstellten sollte.

Der Tag der Entscheidung im Telegrammstil: 11.00 Uhr. Es geht los, Uwe vorn weg. Unangenehm: die lehmigen oder moosigen oder von Vögeln produzierten Auflagen. Alwin im Riß - hier ist alles klar. Der alte Mann hängt voller Sachsen und ein Engländer ist dabei. Alwin zieht seine Bahn. Gunter, der den Vikingerhelm mit einem gelben vertauscht hat, soll vorsteigen. Ulf, der Berber steigt jetzt vor. 13.00 Uhr: Ulf auf dem Gipfel, bei Uwe immer noch dieselbe unwägbare, schmutzige, unorthodoxe Kletterei. Cruxmove Radiergummi. Andrew tritt ca. 1m³ Fels los, der hinter uns vorbei ins Meer rauscht. Aber irgendwie hat er das ganze Erlebnis nicht so richtig realisiert. Alwin seilt an einer hauchdünnen Sanduhr ab - aber alles wird gut. 15.00 Uhr: Uwe auf dem Gipfel. 17.00 Uhr: fünf Gipfelstürmer teilen sich die letzte übriggebliebene Dose Tennent's Lager.

Auf der Rückfahrt wäre dann vielleicht noch unser Besuch in Sheffield's Kletterhalle The Foundry zu erwähnen. Um sich in der völlig überfüllten Halle Platz zu verschaffen, reichte es aus, unsere Seile auszupacken. Und plötzlich wehte ein Hauch von Meer und Möwen durch die Halle. Ansonsten gab es noch zahllose weitere schöne Begebenheiten auf dieser Reise, so zum Beispiel die besinnliche House Party mit Debby und Jo-Anne und Southern Comfort in Huddersfield oder Alwin's Spruch auf der Fähre: "Jawoll, hoch die Tassen, keine Nierensteine ansetzen" oder... Aber so ein Beitrag soll ja auch genutzt werden, um alte Erinnerungen aufzuwärmen und deswegen mache ich hier Schluß.

Sollte irgend jemand etwas nicht verstanden haben, so sei ihm die anfangs erwähnte Videoempfehlung ans Herz gelegt.

© Paulaner

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